Ausgerechnet der Amoklauf von Winnenden soll als Begründung für die Forderung der Innenminister nach einem "Herstellungs- und Verbreitungsverbot" der sogenannten "Killerspiele" (Counterstrike u. ä.) herhalten, das sie noch dazu so schnell wie möglich umgesetzt sehen wollen?*) Wirklich? Je länger man darüber nachdenkt, um so mehr riecht diese Aktion nach einem Ablenkungsmanöver von gleich mehreren Punkten.
Will man uns allen ernstes erzählen, dass ausgerechnet die Spiele zum Amoklauf des Tim K. geführt haben und deshalb die persönliche Freiheit von mündigen Bürgern eingeschränkt werden muss? Nicht die Schießübungen mit echten Waffen, der waffenverrückte Vater, die abgebrochene Therapie nach der stationären Behandlung von Tims Depressionen oder die im Haushalt im Überfluss vorhandenen Waffen bzw. die Kombination all dieser Punkte -- nee, die Computerspiele sind natürlich für den Amoklauf verantwortlich und müssen deshalb unbedingt verboten werden. Moment mal...
[NB: Dadurch wird natürlich wunderbar von dem anderen Punkt abgelenkt: Es gibt bisher (Anno 2009) in Deutschland noch kein computergestützes Waffenregister! Hallo? wilder Westen? Das soll auch kommen, aber natürlich nicht sofort (als dringlicher wird das Einschränken der Freiheit aller, also das Computerspielverbot erachtet), das Waffenregister hat Zeit --- das Jahr 2012 ist anvisiert. (Ausgerechnet 2012? witzig.)] Doch zurück zum Computerspielverbot aufgrund des Amoklaufs..
Dazu möchte ich folgende Gegenargumente zu bedenken geben:
Gar nicht in die Waagschale werfen muss ich das offensichtlichste Gegenargument: Es kann nicht bewiesen werden, dass die Computerspiele zur Tat geführt haben. Wenn die Politik persönliche Freiheiten mündiger Bürger einschränken will, sollten die Bürger dann nicht verlangen können, dass das erst einmal nachgewiesen wird, bevor man überhaupt über ein Verbot nachdenkt? Um's gleich vorweg zu sagen: Das Schießen hat Tim nicht am Computer gelernt. Wenn die Computerspiele nicht zur Tat geführt haben, dann sehe ich auch keine Rechtfertigung für ein Verbot.
Tim K. war lange deprimiert. Und zwar nicht "ich bin heute schlecht drauf" deprimiert, sondern ihm ging's so schlecht, dass er stationär behandelt werden musste. Nicht ambulant, sondern stationär. Sogar in seinem Musterungsbescheid soll 'was über seinen Zustand stehen. Die sich an den Klinikaufenthalt anschließende Therapie hat er abgebrochen. Warum? Was sagen die Eltern dazu? Wer hat sich wie um den Jungen gekümmert, der offenbar doch Hilfe brauchte? Jugendamt, Sozialarbeiter, Lehrer, Arzt, Psychologe/Psychiater? Da er ja nicht nur andere sondern auch sich selbst erschossen hat, war er wohl suizidgefährdet?
Außer natürlich man sieht die Schießübungen mit seinem Vater als therapeutisches Mittel an. Damit sind keine Computerspiele gemeint, sondern richtige Schießübungen im Schützenverein. Und: Der Vater des Amokläufers ist ein Waffennarr, der sogar "15 Waffen legal besessen haben" soll. Fünfzehn! Das ist sein gutes Recht, keine Frage.
Die Politik ist ja bekannt dafür, dass sie gerne ein aktuelles Thema aufgreift, die spin doctors das schön medienträchtig hindrehen und aufbereiten und - wham -, haste den populistischen Gesetzesvorschlag du Jour. Besonders im Wahlkampf wird das gerne genommen. Das Computerspielverbot ist schamloser Nonsens aus der dünnen Luft gezogen, für das ich mich nicht nur fremdschäme, sondern bei dem ich mich auch frage, was denn wohl als nächstes kommt. Horrorfilmverbot, vielleicht? Dazu nur zwei Worte: Mündige. Bürger.
*) lt. Spiegel online, "Innenminister fordern rasches Verbot von Gewaltspielen" v. 05.06.09
Kino: My Bloody Valentine 3-D -- Der Fluch der zwei Schwestern
TV: Germany's Next Showstars -- Men in Trees
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